Der Weg in die zeitgenössische deutsche Literatur

Im Jahr 2009 erhielt die in Rumänien geborene deutsche Autorin Herta Müller den Nobelpreis für Literatur und wurde damit zum siebten deutschen Preisträger. Während dies definitiv einer der großen Momente für die zeitgenössische deutsche Literatur war, reicht ihre Geschichte etwa 1200 Jahre zurück. Es ist unmöglich, hier die gesamte Literatur eines ganzen Jahrtausends angemessen zusammenzufassen. Doch bevor wir in die Moderne gehen, noch einmal ein Überblick, wie wir dort angekommen sind.

Die berühmten Dramatiker des 18. Jahrhunderts, Lessing, Schiller und Goethe, betonten und popularisierten die Werte der europäischen Aufklärung, des Klassizismus und der Romantik. Und während die Schriftsteller des frühen 19. Jahrhunderts von Revolution, Rechten und einem deutschen Nationalstaat geträumt hatten, konzentrierten sich spätere Romane des bürgerlichen Realismus eher auf Manieren und Herzensangelegenheiten. Regionale Traditionen und soziale Fragen waren ebenfalls beliebte Themen.

Die literarischen Bewegungen vor dem Ersten Weltkrieg (1914-1918) befassten sich weitgehend mit sprachlichen und philosophischen Überlegungen, aber beginnend mit der Weimarer Republik (1919-1932), Deutschlands erster Demokratie, wurde die Literatur hauptsächlich durch die politischen Umwälzungen und Bedingungen ihrer Zeit kategorisiert. Die während des Nationalsozialismus geschriebene Literatur des Exils, die Trümmerliteratur nach dem Zweiten Weltkrieg, die beiden divergierenden literarischen Szenen der Bundesrepublik Deutschland und der sozialistischen DDR waren nur einige Beispiele.

Die heute populären deutschen Autoren werden oft als unpolitisch kritisiert, vor allem im Vergleich zu politisch einflussreichen Nachkriegs-Romanschriftstellern wie Heinrich Böll (1917-1985) und Günter Grass (1927-2015). Ihre Arbeit beschäftigt sich oft mit dem Zweiten Weltkrieg und dem sozialen Klima in der neuen Bundesrepublik Deutschland.

Jüngere Generationen deutscher Schriftsteller wie Daniel Kehlmann (Die Vermessung der Welt) haben eine neue Liebe zum Geschichtenerzählen entwickelt. Ein reges Interesse an Popkultur und eine Tendenz, die Unterschiede zwischen “seriösem” Schreiben und purer Unterhaltung zu verwischen, sind ebenfalls weit verbreitet. Bei Autoren wie Wladimir Kaminer und Rafik Schami hat die deutsche Einwanderungsbevölkerung auch meistverkaufte literarische Stimmen gefunden. Zu den erfolgreichsten Genre-Autoren zählen Frank Schätzing (Technologie-Thriller), Andreas Eschbach (Science-Fiction und Fantasy), Tanja Kinkel (historische Romane) oder Cornelia Funke (Kinderbücher).